„Lost in Cyberspace“- Wie geht Orientierung in der Website?

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Benutzerführung / Konzeption / Navigation / Usability

Die perfekte Metapher ist der Wald

Am Wochenende erhole ich mich gerne im Wald. Meist nehme ich altbekannte Touren: rund um den See, oder zum Naturfreundehaus und wieder zurück. Letztens überkam mich eine kleine Nostalgie und ich suchte das stadtnahe Waldgebiet  auf, in welchem wir Kinder fast jeden Samstag Nachmittag mit unserem Großvater gewandert waren. Trotz Erinnerungen und trotz Wanderkarte (Maßstab 1:35.000) in der Tasche verlief ich mich allerdings zunächst hoffnungslos.
Prima, dachte ich: die perfekte Metapher für mein nächstes Unterrichtsthema!

Hoffnungslos orientierungslos

Wie kam es zu meiner Orientierungslosigkeit? Warum hatte ich mich verlaufen? Eine Analyse der Gründe wird uns möglicherweise helfen, den Besucher/inne/n unserer Website auf ihrer „Wanderung“ in unseren Seiten das freundliche Gefühl sicherer Orientierung zu bieten.
Holzstapel ohne erkennbare Struktur oder OrdnungEin Grund: alle Wanderwege sahen gleichartig aus: Mischwald links und rechts, dazwischen zwei Streifen weißen Kalkschotters, ein grasbewachsener Mittelstreifen, hin und wieder ein Stapel Holz am Wegesrand. Die hohen Bäume versperrten mir zudem die Sicht zu möglichen Orientierungsmalen, die sich  durchaus in der Nähe befanden, mir wegen ihrer „Unsichtbarkeit“ aber nicht helfen konnten: ein Aussichtsturm, einige Holzfällerhütten… auch die Wanderkarte bot mir zunächst wenig Hilfe. Der Grund: ich konnte die Frage „Wo befinde ich mich im Moment?“ nicht beantworten. „Wie ist die Struktur?“- an  dieser Frage scheiterte ich ebenfalls: das Wegenetz war relativ engmaschig, aber ohne betonte Sichtachsen und ohne Zentren.

Macht es Spaß oder ist es mühsam?

„Wo bin ich schon überall gewesen?“ war schließlich mein Einstieg in erste Orientierung: der Brunnen mit dem Schild „kein Trinkwasser“ war mir schon vor einer Stunde einmal aufgefallen, und schließlich kam ich zum zweiten Mal an einem kleinen, fast komplett eingewachsenen Steinbruch vorbei, den ich endlich auf meiner Karte identifizieren konnte.
Nun kannte ich  mein Standort und auf einmal war die Frage „Was gibt es hier alles?“ wieder interessant. Vorher- ich muss es zugeben- fühlte ich mich orientierungslos und „verirrt- allein schon das Wort bedeutet in unserer Sprache mehr als nur geographische Unsicherheit; in ihm schwingen Obertöne, die absolutes Entsetzen ausdrücken.“ (Kevin Lynch, Das Bild der Stadt)

Mein kleines AbenKleiner Aussschnitt aus einer Wanderkarteteuer musste ich damals aus Zeitgründen abbrechen, bevor ich das Ziel („Habe ich auch nichts Wichtiges übersehen? Wo sind die für mich relevanten Informationen?“) erreichen konnte. Motiviert wie ich bin  („Macht das Spaß oder ist es mühsam?“) habe ich  allerdings den Volkmarsberg mit Hilfe der Karte und den „Albvereinszeichen“ vor Ort, beim nächsten Waldspaziergang mühelos gefunden.

 

Orientierung anbieten- wie geht das?

Grundlegend ist es zunächst, unseren Besuchern zu vermitteln, sie sind „bei uns“. Unsere Seiten sind konsistent, sie haben ein einheitliches Erscheinungsbild, das sie allerdings auch von ihrer Umgebung (den vielen anderen Websites im Netz) abhebt. Was dem Wanderweg seine Wegzeichen- ein liegendes rotes X oder ein blauer Pfeil auf weißem Grund-  ist unserer Website ihr „Corporate Design“, also eine einheitliche Farb- und Schriftgestaltung, ein Markenzeichen oder Logo, einheitliche Bilder- und Formensprache (zum Beispiel die Buttons oder Icons) und vielleicht ein oder einige wenige Templates, die gut harmonieren.

Feststehende (statische) Orientierungsmale- in der Natur hohe Berge oder Sichtachsen- das sind für die Nutzer unserer Sites globale (=immer am selben Ort auf dem Screen stehende) Navigationsleisten oben oder unten, das Logo als Link zur Startseite, das Hamburger-Icon als Link zum Hauptmenü. Sie „beamen“ unsere Besucher quasi zum Zentrum unserer Website, der Startseite, sollten sie sich wider erwarten doch einmal verirrt haben. „Breadcrumbs“, also die Anzeige des begangenen „Weges“ haben eine ähnliche Funktion: sie zeigen die aktuelle Position in Bezug zur Startseite.

Genauso wichtig wie Konsistenz des Gesamtauftrittes ist aber die Unterschiedlichkeit der Seiten und ihrer Inhalte. Dadurch kann den Besuchern angezeigt werden, auf welcher Ebene sie sich befinden und wie der angewählte Inhaltsbereich in Bezug zu anderen Inhaltsbereichen bzw. dem Ganzen steht.

Auch im User Interface Design ist die „Gestaltpsychologie“ ein wichtiges Thema, wenn es um Orientierung geht. Sich klar voneinander unterscheidende Elemente, Gruppierung von Ähnlichem, Einfachheit (Prägnanz), genügend Weißraum, das Einhalten von Konventionen, wie z.B. der Leserichtung- allgemein gültige Grundlagen der Gestaltung.

Metaphern helfen

Übrigens: auch und gerade Metaphern erleichtern unseren Besuchern ihr Ziel- das Auffinden für sie relevanter Informationen.
„Eine Metapher ist ein Verfahren des Geistes, vermittels dessen es uns gelingt, etwas zu erfassen, das unserem begrifflichen Vermögen ferner liegt. Mit Hilfe des naheliegenden, das wir bereits meistern, können wir zum Verständnis des Entlegenen und von uns schwer Beherrschbaren gelangen.“ Ortega y Gasset

Haftnotiz-MetapherMetaphern finden sich überall im Netz: angefangen von virtuellen Papierkörben und Briefumschlägen, Ordnern, kleinen Haftnotizzetteln, Schiebereglern, Knöpfen, Radiogehäusen, bis hin zu virtuellen Beratern, welche uns auf eine „guided Tour“ mitnehmen.

Metaphern setzen Inhalte durch ihre gut erkennbare Gestalt in eine sinnvolle, gut verständliche Beziehung zueinander. Sie sind emotional aufgeladen, erschaffen eine positive Beziehung zur Nutzergruppe und sind daher gut zu merken. Das sind Gründe, warum gute Metaphern in der Regel auch gut funktionieren.

Allerdings sollten Metaphern nicht so „aufdringlich“ gestaltet sein, dass sie mit dem Inhalt um die Aufmerksamkeit konkurrieren. „So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig!“ ist auch hier ein passender Leitsatz.

Metaphern helfen am besten dann, wenn sie auf die Zielgruppe abgestimmt sind. Daher wäre womöglich die Geschichte über eine Verirrung in New Yourk oder Barcelona die bessere Metapher gewesen- für diesen Beitrag und seine anvisierte Zielgruppe „schmunzel“. Ein Beispiel eines perfekt auf die Zielgrupppe abgestimmten Internetauftritts der COCQ-Sida– eine Organisation für Aufklärung zum Schutz vor AIDS- bietet „Dans mon sac“ . Auf welche Zielgruppe hier die Metapher abgestimmt wurde, lässt sich leicht herausfinden.

 

 

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